Immobilienrecht
Ob und wann Baubewilligungen eingeholt werden müssen, ist für Bauherren und Eventveranstalter zentral. Diesbezüglich brachte das Zürcher Baurekursgericht mit einem Entscheid mehr Licht ins Dunkel: Urteil des Baurekursgerichts vom 19. Juni 2020, BRGE I Nr. 0078 / 2020.
Von Simon Schädler.

Zuständigkeit als Gretchenfrage

Stein des Anstosses für den vorliegenden Rechtsstreit war ein von der Vorsteherin des Stadtzürcher Sicherheitsdepartements abgesegnetes Projekt mit dem verführerischen Namen «Mediterrane Nächte». Dieses sollte genussfreudige Zürcher sowie Liebhaber des urbanen Lebensstils erfreuen: In den Sommermonaten Juli und August sollten an je zwei Wochenenden pro Stadtkreis für Bars und Restaurants verlängerte Öffnungszeiten bis in die Morgenstunden gelten. Man dachte sich, dass das Angebot für Nachtruhestörungen sorgen könnte und bewilligte deshalb erst einen Pilotversuch.

Des einen Freud ist bekanntlich des anderen Leid – negative Reaktionen auf die «Mediterranen Nächte» erfolgten prompt. Einsprachen wurden vom Zürcher Stadtrat entschlossen abgewiesen. 44 Rekurrierende und ein Quartierverein wählten deshalb den Gang ans Baurekursgericht. Sofort stellte sich als Gretchenfrage: Ist das angerufene Baurekursgericht überhaupt zuständig, den Streit zu beurteilen?

Laut Planungs- und Baugesetz (PBG) werden baurechtliche Streitigkeiten in erster Instanz zwar durchaus vom Baurekursgericht entschieden. Nur: Die Verfügung des Sicherheitsdepartements basierte nicht auf öffentlichem Baurecht, sondern auf kommunalem Polizei- und kantonalem Gastgewerberecht. Die Stadt betrachtete ihr Projekt nie durch eine baurechtliche Brille. Die «Mediterranen Nächte» seien schliesslich kein Bauvorhaben, sondern eine temporäre, punktuelle Sommerveranstaltung mit etwas grosszügigeren Öffnungszeiten. Geplant seien weder räumliche oder infrastrukturmässige Erweiterungen noch dauerhafte Nutzungsänderungen. Für die Stadt war damit klar: Die «Mediterranen Nächte» liegen in der Zuständigkeit des städtischen Sicherheitsdepartements. Dieses wehrte sich daher dagegen, den Streit vom kantonalen Baurekursgericht beurteilen zu lassen.

Diesen Argumenten widersprachen die Rekurrierenden vehement: Der Zürcher Projekt-Beschluss tangiere ihrer Meinung nach sehr wohl eidgenössisches Umwelt-, insbesondere Lärmschutzrecht. Die «Mediterranen Nächte» seien raumwirksam im Sinne von Art. 22 RPG und deshalb baubewilligungspflichtige Nutzungsänderungen. Die Betriebszeiten seien weder mit dem Bundesumweltrecht vereinbar noch zonenkonform. Nur die Baubehörde hätte das Pilotprojekt prüfen und entscheiden dürfen. Das Polizei- und Gastgeweberecht als Steigbügelhalter für weitgehende Nutzungsänderungen? Weit gefehlt, so die Rekurrierenden.

Das Baurekursgericht entscheidet Streitigkeiten nur, wenn eine strittige baurechtliche Bewilligung vorliegt oder eine baurechtliche Prüfung hätte vorgenommen werden müssen. Die Richterschaft musste also erst prüfen, ob eine baurechtliche Bewilligungspflicht für den nächtlichen Gastro-Event bestanden hätte.

Wann ist eine Baubewilligung nötig?

Das RPG bestimmt, dass Bauten und Anlagen nur mit behördlicher Bewilligung errichtet oder geändert werden dürfen. Es gilt eine Bewilligungspflicht für künstlich geschaffene, dauerhaft angelegte Einrichtungen, die in fester Beziehung zum Erdboden stehen und geeignet sind, die Nutzungsordnung zu beeinflussen. Sei es, dass sie den Raum äusserlich erheblich verändern, die Erschliessung belasten oder die Umwelt beeinträchtigen. So weit die juristischen Grundsätze (BGE 113 Ib 314 E. 2b), die selbstredend auch für die Kantone gelten. Nach Zürcher Baurecht (§ 309 Abs. 1 lit. b PBG) benötigen auch Nutzungsänderungen bei Räumlichkeiten und Flächen mit baurechtlicher Bedeutung eine Baubewilligung. So wird garantiert, dass Bauprojekte vor ihrer Ausführung auf die Übereinstimmung mit der raumplanerischen Nutzungsordnung und der Gesetzgebung überprüft werden (BGE 139 II 134).

Diese wirkungsbezogene Betrachtungsweise bringt mit sich, dass auch Nutzungsänderungen ohne jegliche baulichen Vorkehrungen oder Geländeveränderungen nur mit Baubewilligung legal sein können, wie zahlreiche Beispiele zeigen. Der Hängegleiter-Landeplatz auf einsamer Wiese (BGE 119 Ib 222) etwa darf nur mit Baubewilligung legal genutzt werden. Ebenso das Paintball-Feld im dichten solothurnischen Wald, bestehend einzig aus zwei Netzen und Asthaufen. Schliesslich sei mit einer intensiveren Boden- und Waldnutzung zu rechnen als beim Spazieren oder Pilze sammeln (VWBES.2007.143 in, SOG 2008 Nr. 18). Das gleiche Schicksal traf Veranstalter eines temporären Open-Air-Kinos auf einem Berg (VB.2005.00324 vom 12. Dezember 2005) und Liebhaber von Modellflugzeugen auf einer Schafweide (VB.2009.00308 vom 17. Dezember 2009). Anders beurteilten die Gerichte befristete Veranstaltungen auf den Aussenflächen eines Einkaufszentrums: Diese seien keine Nutzungsänderung und entsprächen der ursprünglichen Baubewilligung (BRGEI Nr. 0112 / 2011 vom 10. Juni 2011).

Bewilligte Nutzung bleibt gewahrt

Was gilt nun für die «Mediterranen Nächte»? Der Rechtsstreit sei nicht mit den Paintball- und Hängegleiter-Fällen vergleichbar, so die Baurekursrichter. Klar sei, dass die «Mediterranen Nächte» zu längeren und stärkeren Lärmimmissionen führen. Dies aber lediglich an wenigen Wochenenden pro Quartier. Zudem seien Veranstaltungen in Innenhöfen untersagt und Aussenbeizen nicht betroffen. Die Art der bisherigen bewilligten Nutzung bleibe also unverändert. Ebenso die maximale Gästezahl pro Lokal. Zusammenfassend seien keine gravierenden Verletzungen von Drittinteressen und Umweltauswirkungen ersichtlich. Ein Baubewilligungsverfahren wäre also unverhältnismässig und unnötig.

Schlechte Karten somit für die Rekurrierenden. Denn: Ohne baubewilligungspflichtigen Sachverhalt ist das Baurekursgericht der falsche Adressat. Dieses erklärte sich folglich für unzuständig und trat auf den Rekurs nicht ein. Schlimmer noch: Gewöhnlich werden Eingaben an eine unzuständige Verwaltungsbehörde von Amtes wegen an die korrekte Stelle weitergeleitet. So werden Rechtsverzögerungen verhindert oder Fristen und die Rechtshängigkeit gewahrt. Davon sah das Baurekursgericht ab und leitete die Rekurse nicht an die zuständige Volkswirtschaftsdirektion bzw. das Statthalteramt weiter. Schliesslich seien die Rekurrierenden anwaltlich vertreten und hätten – entgegen der Rechtsmittelbelehrung – beim Baurekursgericht Rekurs erhoben. Ein ärgerlicher Ausgang für die Betroffenen. Immerhin sah die Richterschaft davon ab, die Unterlegenen zu einer Umtriebsentschädigung zu verurteilen.