Bau & Haus
Der Baustoff Beton hat sich in den vergangenen 20 Jahren weiterentwickelt – dies bezeugen die gegensätzlichen Gebäude des Kunstmuseums Liechtenstein in Vaduz eindrücklich.
Von Angelo Zoppet-Betschart.

Beton und seine Bedeutung

Beton ist wegen seiner statischen, ästhetischen und bauphysikalischen Eigenschaften beliebt. Seiner Nutzung sind jedoch auch einige Grenzen gesetzt. Rau, roh, robust: Bauten aus Beton wirken oft wie Trutzburgen und Bunker, stolz oder gar abweisend und uneinnehmbar. Die Architektur ist roh und karg. Nichts wird versteckt, verkleidet oder geschönt. Für viele sind die grauen und oftmals hässlichen Riesen die grössten Bausünden des 20. Jahrhunderts. Sie haben mit ihrem gealterten Sichtbeton so gar nichts Einladendes an sich. Viele Gebäude der Nachkriegsmoderne verfielen über Jahrzehnte und gelten als zu monströs und hässlich, um bewahrt zu werden. Nun scheinen gewisse Formen des Brutalismus wieder in den Fokus zu rücken und sie werden als ehrliche Formensprache ohne historisierende Nostalgie gepriesen.

Der Baustoff der Moderne

Beton ist halt der Baustoff der Moderne und einer der prägendsten unserer Zeit. Sei es von den vielfältigen Infrastrukturbauten bis hin zu den höchsten Gebäuden. Sein anhaltender Erfolg beruht dabei längst nicht mehr bloss auf seinen Ureigenschaften wie hohe Druckfestigkeit, sondern bis heute auch auf seiner enormen Wandelbarkeit. Beton ist eben nicht gleich Beton. Und Sichtbeton hat viele Gesichter: Etliche Spielarten des Materials ermöglichen eine grosse gestalterische und ästhetische Bandbreite. Beton bietet nicht nur eine hohe statische Sicherheit, er schützt auch vor (Wärme-)Strahlung und wirkt schallisolierend. Seine weltweite Beliebtheit verdankt er wesentlich auch seiner Effizienz. Beton lässt sich faktisch überall einsetzen, ob vor Ort gegossen oder als industriell produziertes Fertigteil. Dazu Peter Wellauer, Geschäftsführer von Betonsuisse Marketing AG und Holcim (Schweiz) AG: «Beton ist ein eigentlicher Verwandlungskünstler. Er kann durchlässig bis dicht sein, und er kann leicht bis schwer sein. Poren-, Leicht- und Schaumbetons, zum Teil sogar leichter als Wasser, eignen sich als Dämmmaterialien, während Normal- und Schwerbetons hohe statische Festigkeiten und grosse Robustheit bieten.» Lichtdurchlässiger Beton gehört zu den erstaunlichsten Materialentwicklungen der jüngsten Zeit. Mithilfe von lichtleitenden Fasern wandelt sich Beton vom schweren Baustoff zum fast federleichten Material.

Weitere Beispiele für die Vielfalt von Beton: Schaumbeton kann man mit dem Fingernagel ritzen, während Ultrahochleistungsbeton als fast unangreifbare Panzerung gegen Abrieb dient. Der verwendete Zement sowie lokale Kiese und Sande ergeben verschiedene Grautöne. Farbpigmente machen den Beton bunt und erweitern so bei Sichtbetonbauten die gestalterischen Möglichkeiten. Und Betonpromotor Peter Wellauer ergänzt: «Gerade die Multifunktionalität des Betons ist unerreicht. Das gleiche Material, das Räume begrenzt, trägt, dämmt und schützt in einem. In der Schweiz gehört das Bauen mit Beton nicht nur zur guten Tradition, es wird auch laufend weiterentwickelt. Wir forschen daran, Beton mit energieärmeren Mischungen umweltfreundlicher zu machen.» Es gibt selbstverdichtende Betons oder komplexe Schalungsformen aus wiederverwertbarem Kunststoff, die das gestalterische Spektrum erweitern und gleichzeitig die Ausführung vereinfachen. Mit Beton entstehen robuste und langlebige Bauten, die auch Unterhaltskosten senken. Vor allem lässt sich Beton fast vollständig rezyklieren. Bis auf die Feinanteile lässt sich Abbruch- und Rückbaumaterial aus Beton immer wieder als gewichtige Bestandteile von Recyclingbeton verwenden.

Kunst im dunklen und hellen Kubus

Ein gutes Beispiel für gute zeitgenössische, moderne Betonbauten ist das Kunstmuseum Liechtenstein mit dem Erweiterungsbau der «Hilti Art Foundation». Das wegweisende Museumsgebäude in Vaduz wurde vor 20 Jahren nach Plänen der Basler Architekten Morger und Degelo errichtet. Das Museum ist ein einfach und klar definierter Baukörper von 60 Metern Länge, knapp 25 Metern Breite und 12 Metern Höhe. Auffallend ist vor allem die dunkel glänzende Betonfassade aus grünem und schwarzem Basalt sowie Untervazer Flusskies. Fugenlos gegossen, entstanden so durchgehende Fassadenflächen, die lediglich von Fensterbändern durchbrochen sind. Die fast schwarze Sichtbetonfassade wurde geschliffen, poliert und imprägniert. Dadurch entstand die glatte, reflektierende Oberfläche, in der die Kornstruktur des Betons gut sichtbar wird. Ein kennzeichnendes Merkmal der Betonfassade ist auch, dass sich die Konturen der Umgebung darin widerspiegeln. Die glänzende Imprägnierung dient als Korrosions- und Graffitischutz und muss regelmässig erneuert werden. Der signifikante Kubus beherbergt sechs Säle mit 1750 Quadratmetern Ausstellungsfläche.

Mit dem dunkelgrün-schwarzen Monolithen des Kunstmuseums Liechtenstein im Zentrum von Vaduz begründeten um die jüngste Jahrhundertwende die Architekten Morger, Degelo und Kerez ihr Renommee. Acht Jahre später gewann Meinrad Morger zusammen mit Fortunat Dettli den Wettbewerb für einen Erweiterungsbau. In dem 2015 eröffneten, nun weissen Kubus mit 20 Meter Kantenlänge zeigt die auf die klassische Moderne spezialisierte «Hilti Art Foundation» einen Teil ihrer Sammlung. Im ersten Unter- und Erdgeschoss führt der zweite Bauherr sein Uhren- und Schmuckgeschäft. Der dreigeschossige Erweiterungsbau mit seinen zwei Untergeschossen ist leicht abgerückt vom bestehenden, dunklen Museumsbau, von dem aus er über das erste Untergeschoss erschlossen wird. Seine weisse Fassade ist durch vier Fensterbänder gegliedert. Sie bildet mit der «schwarzen» des bestehenden Kunstmuseums ein kompositorisches Ensemble und macht die inhaltliche Verbindung ablesbar. Die strahlend helle Fassade des neuen Ausstellungsgebäudes besteht vorwiegend aus weissen, gebrochenen Zuschlagstoffen. Und zwar aus Kies des nahen Rheins und aus Laaser Marmor aus dem Südtiroler Vinschgau. Dieser gilt als besonders hart, widerstands- und wetterbeständig. Architekt Meinrad Morger zu den optischen Effekten der Fassade: «Die oberste Schicht des weissen Betons wurde geschliffen und poliert. Wie bei einem kostbaren Stein wird so sein Innenleben sichtbar. Durch den Glanz der Oberfläche verändert sich die Optik des Gebäudes ständig.»