Immobilienwirtschaft
Derzeit stagniert die Zahl der Neugründungen von PropTech-Firmen. Während die Covid-19-Situation einigen Lösungsansätzen einen Schub gibt, müssen sich andere Firmen auf schwere Zeiten einstellen, weil etablierte Unternehmen ihren Fokus neu ausrichten.
Von Mario Facchinetti.
Giovanni Moscato (links) und Rafael Motti vom Proptech-Start-up Aestico.

Zunehmende Akzeptanz

In den vergangenen fünf Jahre haben technologiegetriebene Lösungsansätze für die Immobilien- und Bauwirtschaft, die sogenannten PropTechs (Property Technology), stetig zugenommen und an Bedeutung gewonnen. Diese Entwicklung bestätigen verschiedene aktuelle Studienergebnisse. So ist etwa die zunehmende Akzeptanz der etablierten Wirtschaft gegenüber innovativen Produkten und Dienstleistungen festzustellen (Swiss PropTech Studie, 2020) oder das steigende Investitionsvolumen in europäische PropTech-Firmen («European PropTech Trends»-Studie, 2020). Dies zeigt sich auch deutlich beim Blick auf die verschiedenen Teilnehmer im Schweizer PropTech-Markt, von denen auf den folgenden Seiten vier innovative Unternehmen vorgestellt werden.

Rund 250 neue Firmen

Die Anzahl neu gegründeter Firmen, welche versuchen, mit technologischen Hilfsmitteln Probleme der Immobilien- und Bauwirtschaft zu lösen, hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Mittlerweile sind in der Schweiz über 250 PropTech-Firmen damit beschäftigt, im gesamten Lebenszyklus von Immobilien (in den Segmenten Construction (ConTech) sowie Real Estate (ReTech); siehe Grafik) innovative Produkte und Dienstleistungen anzubieten. Diese Lösungen fokussieren sich hauptsächlich darauf, bestehende Prozesse und Leistungen radikal zu verbessern oder gar zu substituieren. Die Covid-19-Situation wirkt sich auf die Innovationsszene sehr unterschiedlich aus. So verleihen die Entwicklungen einigen Lösungsansätzen einen regelrechten «Boost». Anderen bereiten sie schwerere Zeiten, da etablierte Unternehmen ihren Fokus neu ausrichten und Innovationen vermehrt wieder skeptisch gegenüberstehen.

Etabliert und adaptiert

Die etablierten Unternehmen der Immobilien- und Bauwirtschaft sind jedoch mit Abstand die wichtigste Kundengruppe der jungen Technologiefirmen (Swiss PropTech-Studie 2020). Sie sind somit für das Überleben der PropTech-Szene überaus wichtig. Sie sind in der jetzigen Zeit speziell gefordert, die Adaption von innovativen Ansätzen zu forcieren. Beobachtungen zeigen aber, dass die «etablierten» Unternehmen mit den aktuellen Entwicklungen unterschiedlich umgehen. Die ­einen sehen sich durch die bestehenden Unsicherheiten darin bestätigt, weiterhin oder sogar verstärkt auf Innovationen und neue Lösungsansätze zu setzen, um so auch Chancen frühzeitig erkennen und nutzen zu können. Andere wiederum sehen in der Krise Argumente, sich wieder auf das Kerngeschäft zu fokussieren und somit die Priorität von Innovationsthemen niedriger anzusetzen.

Gefahr und Potenzial

Ohne Zweifel: Die Schweizer Immobilien- und Bauwirtschaft steht vor grossen Herausforderungen. So gilt es für die etablierten wie auch die neuen Firmen, kurzfristig das Kerngeschäft am Laufen zu halten und mittel- bis langfristig das Bestehen am Markt sicherzustellen. Damit dies gelingt, müssen mehr Kooperationen und Kollaborationen stattfinden. Denn: Von den gegenseitigen Stärken können am Ende alle profitieren. Gelingt dies nicht, besteht die Gefahr, dass die über die letzten Jahre getätigten Investitionen in Innovationen abgeschrieben werden müssen.

Besonders junge Technologiefirmen sind auf die Adaption ihrer Ideen und Leistungen angewiesen. Bleibt diese aus, werden sich Investoren wieder auf andere Branchen mit höherer Akzeptanz- und Adaptionsrate von neuen Ideen konzentrieren. Dies würde dazu führen, dass wir in der Immobilienwirtschaft um Jahre zurückgeworfen werden. Und wir vielleicht sogar ausländischen Unternehmen den Marktzugang erleichtern, weil wir schlichtweg nicht mehr konkurrenzfähig sein werden. Damit dieses gerade gezeichnete Worst-Case-Szenario nicht eintrifft, sollten sich sowohl Immobilien- als auch Baufirmen vermehrt Gedanken zum Aufbau von Ökosystemen machen, um auch in Zukunft den Bedürfnissen des Marktes gerecht zu werden. Die Versicherungsbranche hat den Mehrwert von solchen Zusammenschlüssen bereits erkannt – und treibt seit einigen Jahren diese Entwicklungen auch bei uns im Bau- und Immobiliensektor voran.