Immobilienwirtschaft
In der Fachwelt tauchen laufend Schlagwörter wie BIM-Methode oder «Virtual Design and Construction» auf. Tatsache ist, dass sich die Planungsinstrumente ändern. Das betrifft auch das Berufsbild professioneller Bauherrenberater.
Von Jürg Zulliger
Planung nach BIM und auch im ­Betrieb «digital»: das neue Siemens Headquarter in Zug. Da jedes Projekt anders ist, muss der Bauherr von Fall zu Fall prüfen, was es an BIM wirklich braucht. Foto: Siemens

Breites Grundlagenwissen gefragt

Grosse Unternehmen und Bauherrschaften haben längst ihre eigenen BIM-Strategien (Building Information Modeling) entworfen. Als Vorreiter gelten vor allem Roche, die SBB oder Siemens. So lassen sich kaum noch Bauherrschaften, Investoren oder sonst am Bau Beteiligte finden, die um das Thema herumkommen. Thomas Findeisen, Vorstandsmitglied bei der Kammer unabhängiger Bauherrenberater (KUB), sagt dazu: «Der Bauherrenberater muss in der Lage sein, den Auftraggeber professionell über die Vor- und Nachteile zu informieren. Dazu braucht er selbst eine gute Grundlagenaus­bildung.» BIM sei aber wohlgemerkt kein Allheilmittel und eigne sich auch nicht für jede Art von Projekten. Wenn das Ziel lautet, ein Einfamilienhaus oder ein Mehrfamilienhaus mit fünf oder sechs Einheiten zu realisieren, würde sich mit BIM-Instrumenten kein wirklicher Mehrwert ergeben. Dasselbe gilt auch für ein kleineres oder mittleres Bauprojekt, das der Ersteller nach der Fertigstellung verkaufen will.

Die Vorteile von BIM kommen vor allem dann zum Tragen, wenn es sich bei den Bestellern um grosse, professionelle Bauherrschaften handelt, die ihre Gebäude und Anlagen selbst planen und langfristig selbst nutzen. Sie haben auch eine klare Vorstellung davon, was BIM ist. «Die Verbindung von BIM und Facility-Management im Betrieb verspricht wesentliche Vorzüge, Optimierungen und Kosteneinsparungen», ergänzt Findeisen, der als Berater bei der Projektbeweger GmbH tätig ist. Dabei kommt noch die andere Definition von BIM als Building Information Management ins Spiel. Damit ist die Begleitung während des ganzen Lebenszyklus eines Gebäudes gemeint, und zwar anhand von Informationen aus dem virtuellen Gebäudemodell. Der Bauherr profitiert in hohem Mass von einer Optimierung im Betrieb der Gebäude, der Gebäudetechnik und aller Anlagen. «Es kommt nicht von ungefähr, dass Spitalbauten mit einer hochkomplexen Technik fast nur noch nach der BIM-Methode realisiert werden», ergänzt Findeisen.

BIM: Kultur des Teamworks

Profis ziehen einen grossen Nutzen daraus, dass sämtliche Planungsschritte digital erfolgen und sich alle am Bau beteiligten Planer, Lieferanten und Unternehmer am digitalen Modell des Bauwerks orientieren. Dies verlangt nach integraler Zusammenarbeit, transparenter Kommunikation, es stärkt die Organisation als Team und das Verständnis für die Aufgaben anderer. Wenn alle jederzeit Zugriff auf den sogenannten «digitalen Zwilling» haben – das Modell des Gebäudes in 3D – bürgt dies für höhere Qualität in der Ausführung und weniger ausserplanmässige Änderungsaufträge. Wer als Bauleiter oder als Bauexperte auf Seite der Bauherrschaft einen Augenschein auf der Baustelle nimmt, wird die Situation im Gebäude sofort mit den Daten und den digitalen Planungsunterlagen abgleichen können. Mit Hilfe einer 3D-Brille sind sonst verborgene Details wie Brandschutzklappen, Anschlüsse und Leitungen ersichtlich. Die besser abgestützten und konsolidierten Planungsunterlagen tragen wesentlich dazu bei, Fehler und Kollisionen in der Planung zu erkennen.

Digitale Bauabnahme?

So ist es heute gang und gäbe, dass die Planer und Bauleiter die ganze Dokumentation und Kommunikation digital abwickeln. Kombiniert mit Technologien wie HD-Videos und hochauflösenden virtuellen Touren in Gebäuden eröffnen sich noch für weitere Themen neue Perspektiven. So wäre es zum Beispiel eine grosse Vereinfachung, wenn die anspruchsvollen Qualitätschecks und Formalitäten bei der Bauabnahme am Schluss digital stattfinden könnten – ohne dass sämtliche Experten, Vertreter der Bauherrschaft und deren Bauherrenberater physisch vor Ort sein müssen. Othmar Helbling von der Hbq-Bauberatung sagt dazu: «Ich bin der Erste, der für solche neuen Technologien offen ist.» Doch selbst perfekt gemachte Videos und digitale Visualisierungen kämen an ihre Grenze. «Aufsteigende Feuchtigkeit in der Fassade oder schon nur die Qualität der Wärmedämmung sind so nicht erkennbar», sagt Helbling. Ohne neuralgische Teile vor Ort sehen und begutachten zu können, erweise sich der Gebäudecheck als schwierig. Geringfügige Schönheitsfehler lassen sich kaum von gröberen Mängeln der Statik oder der Kon­struktion auseinanderhalten.

Fazit

Ein professioneller Bauherrenberater muss seinen Kunden die Möglichkeiten und Grenzen der Digitalisierung aufzeigen. Punkt für Punkt ist zu klären, welche digitalen Instrumente im Rahmen der gestellten Aufgabe wirklich zweckmässig sind. «Was sich mit der Digitalisierung ändert, ist vor allem der Inhalt der Beratung», folgert Thomas Findeisen. Die grösste Wirkung entfaltet der Berater, wenn er den Bauherrn in einer frühen Phase «abholt» und ihn in wesentlichen Fragen unterstützt (strategische Planung, Bedürfnisanalyse, Formulierung von Zielsetzungen, Anforderungskataloge etc.). Im Rahmen von BIM ist auch zu klären, wie das geistige Eigentum an den Daten und am digitalen 3D-Modell zu regeln ist und in welcher Form die Resultate der Arbeit abzuliefern sind. Wenn es der Bauherr versäumt, dies im Vertrag und beim Honorar klar zu umschreiben, sind Missverständnisse und Konflikte vorprogrammiert. Professionelle Bauherrenberater sind zugleich gefordert, sich in Sachen BIM und Digitalisierung weiterzubilden. Doch hier klafft noch eine grosse Lücke im Kursangebot: Die schier kaum zu überblickende Fülle an Kursen und Weiterbildungen rund um BIM richtet sich praktisch ausschliesslich an Architekten und Planungsfachleute.