Immobilienpolitik
Die Revision des Bauvertragsrechts, wie sie der Bundesrat nun zur Vernehmlassung vorlegt, bringt für Bauherren eine verbesserte Rechtsstellung.
Von Ivo Cathomen

Gut Ding will Weile haben

2002 reichte Hildegard Fässler-Osterwalder (SP SG) die Motion «Bestimmungen über Architektur- und Bauleistungen im OR. Schutz der Auftraggebenden» ein. Es folgte über die Jahre eine ganze Reihe von Vorstössen unterschiedlicher Absender zu Rüge-, Garantie- und Haftungsfristen sowie Gewährleistungen und Mängelrechten im Bauwesen. Die rege Bautätigkeit der vergangenen Jahre – zuweilen solche mit abenteuerlichen Vertragsverflechtungen und undurchsichtigen Subunternehmerverhältnissen –, die zunehmende Verbreitung des Verkaufs von Wohneigentum ab Plan und die zuweilen praxisferne Rechtsprechung des Bundesgerichts dürften der Zustimmung zu solchen Vorstössen im Parlament zuträglich gewesen sein.

Nachdem der Bundesrat im Jahr 2013 in Erfüllung zweier überwiesener Motionen das Gutachten «Bauherrschaft und Baumängel» von Prof. Hubert Stöckli, Universität Freiburg i.Ue., veröffentlicht und 2018 eine Konsultation der Verbände über eine mögliche Revision des Bauvertragsrechts durchgeführt hatte, wartete man vergebens auf einen Gesetzesentwurf und die immer wieder verschobene Vernehmlassung – bis zum 19. August dieses Jahres. Dem Bundesamt für Justiz ging der Auftrag zur Ausarbeitung ganz offensichtlich nicht leicht von der Hand. Mit dem Bauwerkvertrag, GU- und TU-Vertrag, Architekten- und Ingenieurvertrag, dem Vertrag über den Erwerb eines Grundstücks mit bestehender oder geplanter Baute und dem Vertrag über den Erwerb von Stockwerkeigentum erstreckt sich das Thema Mängelrechte und Fristen auch über ein besonders breites und komplexes Feld.

Beschränkung auf das Dringlichste

Die Vorlage beschränkt sich auf die Neuregelung der Mängelrüge und der Wegbedingung des Nachbesserungsrechts sowie der Voraussetzungen der Ersatzsicherheit beim Bauhandwerkerpfandrecht. Gemäss Vorentwurf Art. 219a Abs. 1 und Art. 367 Abs. 1 OR soll die Frist zur Rüge von Mängeln eines unbeweglichen Werks neu 60 Tage betragen – und zwar sowohl bei offenen wie auch bei versteckten Mängeln. Diese neue Rügefrist soll nicht nur für Werkverträge, sondern auch für Grundstückkaufverträge gelten. Die Regelung ist dispositiv, sodass die Parteien vertraglich davon abweichen können. Dieser Vorschlag geht über die Forderung der parlamentarischen Initiative Markus Hutter (FDP ZH) hinaus, in der er sich auf eine 60-tägige Frist für verdeckte Mängel beschränkt hatte.

Der Entwurf sieht weiter vor, dass das Nachbesserungsrecht hinsichtlich Mängeln an Bauten, die persönlichen oder familiären Zwecken dienen, unabdingbar sein soll: «Der Käufer eines Grundstücks mit einer Baute, die noch zu errichten ist oder weniger als ein Jahr vor dem Verkauf neu errichtet wurde, kann auch  unentgeltliche  Verbesserung  verlangen.  Dieser  Anspruch  untersteht den Bestimmungen über den Werkvertrag» (Art. 219a Abs. 2). Ein Nachbesserungsrecht soll es somit auch bei Kaufverträgen über Grundstücke mit neu erstellten Bauten geben. Durch das unabdingbare Nachbesserungsrecht wird die für Haus- und Stockwerkeigentümer nachteilige Praxis der Kombination von Freizeichnung und Abtretung von Gewährleistungsansprüchen eingeschränkt. Schliesslich soll eine Ersatzsicherheit zur Abwendung der Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts zukünftig die Verzugszinsen für zehn Jahre decken müssen und nicht wie bisher für unbeschränkte Zeit. Damit soll es den Grund­eigentümern erleichtert werden, Realsicherheiten und vor allem Bankgarantien als Ersatzsicherheiten zu stellen.

Verzicht auf umstrittene Anliegen

Interessant ist nicht nur, was der Bundesrat neu regeln will, sondern auch, wovon er die Finger lässt. Er verzichtet namentlich auf eine Totalrevision des Werkvertragsrechts und die Schaffung eines neuen Bauwerkvertrags, die im Vorfeld ins Spiel gebracht wurden. Dies hätte nicht nur zu einer Überregulierung mit ungewissem Nutzen für die Bauherren geführt. Ein solcher Eingriff wäre wohl auch in der politischen Diskussion zum Scheitern verurteilt gewesen und hätte das ganze Vorhaben gefährden können. Hinsichtlich der Regelung betreffend Geltungmachung von Gewährleistungsansprüchen bei Mängeln an gemeinschaftlichen Teilen im Stockwerkeigentum verweist der Bundesrat auf die Praxisänderung des Bundesgerichts in BGE 145 III 8 im Jahr 2018, womit die davor unbefriedigende Rechtsstellung der einzelnen Stockwerk­eigentümer verbessert und die Problematik entschärft wurde. Gleichzeitig räumt der Bundesrat aber auch ein, dass noch nicht alle diesbezüglichen Fragen geklärt sind. Für deren Beantwortung verweist er auf die Rechtsprechung und erteilt namentlich der Legalzession der Gewährleistungsansprüche der Stockwerkeigentümer an die Gemeinschaft eine Absage.

Von der Abschaffung der Verwirkungsfolge bei verspäteter Mängelrüge, wie sie Prof. Stöckli in seinem Gutachten angeregt hatte, sieht die Regierung ebenso ab, wie von einem kompletten Verbot der Abtretung von Mängelrechten und einer Verlängerung der Verjährungsfrist für Baumängel. Auch in diesen Fragen gingen die Meinungen im Vorfeld wohl zu weit auseinander.

«Open Space» zum Bauhandwerkerpfandrecht

Einen eher eigenwilligen Weg schlägt der Bundesrat zum Schluss der Vernehmlassungseröffnung ein. Bezugnehmend auf die in der Frühjahrssession 2020 angenommenen Motion «Ausgewogeneres Bauhandwerkerpfandrecht» von Andrea Caroni (FDP AR) fordert er zur Stellungnahme zu drei Fragen auf: Wie könnte das Bauhandwerkerpfandrecht angepasst werden, um das Verhältnis zwischen Bauherrn und Subunternehmer ausgewogener zu regeln? Sollte das Pfandrecht nur für Leistungen greifen, die vom Subunternehmer erbracht wurden, nachdem der Bauherr vom Subunternehmer Kenntnis hatte oder haben konnte? Sehen Sie in diesem Bereich gesetzgeberischen Handlungsbedarf? In Anbetracht der in diesen Sachfragen etablierten Fristen von bis zu 20 Jahren hätte er sich durchaus Zeit lassen können, sich selber eine erste Meinung zu bilden.