Immobilienpolitik
Klimademos in Bern und Lausanne hinterlassen den Eindruck, Behörden und Justiz halten ihre schützende Hand über illegale Handlungen. Immerhin, in die Frage des Besitzesschutzes bei Hausbesetzungen kommt jetzt mit einer Vernehmlassungsvorlage Bewegung.
Von Ivo Cathomen.

Illegal – aber legitim?

Wer die Bilder der Klimademo auf dem Bundesplatz gesehen hat, hat sich womöglich verwundert die Augen gerieben. Der grüne Stadtpräsident Alec von Graffenried machte keinen Hehl aus seiner Sympathie mit der Aktion der Klimaaktivisten. «Ich war beeindruckt von der Professionalität der Aktivisten.» Kritik an seiner Haltung wischt er vom Tisch: «Ich strebe danach, alle gleich zu behandeln.»

Ortswechsel: In Lausanne revidierte das Kantonsgericht Ende September das Urteil des Bezirksgerichts, wonach zwölf Klimaaktivisten vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs freigesprochen wurden. Sie waren im November 2018 in eine Filiale der Credit Suisse eingedrungen und hatten ihren Forderungen nach einer rigideren Klimapolitik in Anspielung auf die Werbepartnerschaft der Bank mit Roger Federer mit einem Tennisspiel Nachdruck verschafft. In erster Instanz waren die Studenten freigesprochen worden. Der Gerichtspräsident und Einzelrichter Philippe Colelough war in seinem Urteil der Auffassung, die Aktivisten hätten aus Gründen eines «rechtfertigenden Notstands» gehandelt. Er befand, dass ihr Vorgehen angesichts der Klimakatastrophe «notwendig und angemessen» gewesen sei. Mit dieser Sache wird sich voraussichtlich das Bundesgericht noch beschäftigen dürfen.

Und weiter nach Zürich: Seit Jahren führen Hausbesetzer Eigentümer von Entwicklungsarealen vor – geduldet und geradezu ermuntert von der linken Stadtregierung. Bei Hausbesetzungen schreitet die Stadtzürcher Polizei erst ein, wenn der Eigentümer des Gebäudes Anzeige einreicht. Zudem müssen eine Baubewilligung sowie eine Baufreigabe vorliegen. Dies, obwohl Hausbesetzer laut Strafrecht einen Hausfriedensbruch begehen. Dieser saloppe Umgang der Stadtpolitik mit geltendem Recht findet ihren Niederschlag im «Merkblatt für Hausbesetzungen», das die damalige SP-Polizeivorsteherin Esther Maurer initiierte. Seit Jahren bewegt sich die Anzahl besetzter Gebäude zwischen 25 und 30. Zürich sei ein Vorbild für Städte wie Basel und Bern, heisst es von linker Seite.

Ungleiche Ellen

Sind Platz- und Hausbesetzungen trotz offensichtlicher Illegalität legitim und bedürfen darum keiner Rechtfertigung? Was legitim ist und was nicht, ist erstens die Frage eines zunehmend erratischen Zeitgeists und entscheidet sich zweitens anhand von Mehrheitsverhältnissen. Wer Minderheitsmeinungen vertritt, hat es ungleich schwerer – Beispiel der verbotene «Marsch fürs Läbe» Zürich.

Ob in Bern und Lausanne gleich gehandelt und entschieden worden wäre, hätten Aktivisten beispielsweise die sofortige Ausschaffung abgewiesener Asylbewerber oder die kompromisslose Kündigung der bilateralen Verträge mit der EU gefordert, ist zu bezweifeln. Die SVP hatte konkret um eine Bewilligung für eine Kundgebung zur Begrenzungsinitiative während der zu Ende gegangenen Herbstsession ersucht. Der Antrag war mit Verweis auf das Verbot abgelehnt worden. Die Sympathie der überwiegend linken Regierungen in den grösseren Schweizer Städten mit der Klimajugend liegt in der Natur der politischen Gesinnung, politisch gefärbte Ungleichbehandlung in Ermessensfragen oder gar die Missachtung von geltendem Recht sind jedoch stossend. Die Behörden täten gut daran, bei sich den gleichen Massstab anzulegen, wie sie es bei der Durchsetzung des Rechts gegenüber Bürgern tun.

Verlierer in Lausanne und Zürich sind in erster Linie die Eigentümer, bzw. ist das Institut des Grundeigentums. Spinnt man den Faden im Lausanner Fall weiter, so müsste jeder Grundeigentümer gewärtigen, dass seine Liegenschaft Austragungsort von politischen Aktionen werden könnte und er dies trotz Störung zu dulden habe. Anknüpfungspunkte lassen sich spielend konstruieren: der Betrieb einer Ölheizung, die Verwaltung einer Fluggesellschaft, der Fuhrpark eines Logistikunternehmens in der betreffenden Liegenschaft usw.

Mehr Eigentümerrechte bei Hausbesetzungen

Wenigstens in der Frage der Hausbesetzung ist jetzt Bewegung. Der Bundesrat hat – beauftragt durch den Beschluss des Parlaments im Sinne der Motion «Bedingungen für die Anwendbarkeit von Artikel 926 ZGB lockern, um besser gegen Hausbesetzer vorgehen zu können» von Olivier Feller, FDP VD – Anfang September eine Änderung des Zivilgesetzbuchs und der Zivilprozessordnung zur Vernehmlassung vorgelegt. Damit soll der Besitzesschutz bei verbotener Eigenmacht an Grundstücken punktuell gestärkt werden – also in der Frage der Hausbesetzung.

Mit den vorgeschlagenen Anpassungen des Zivilgesetzbuchs soll der Zeitpunkt des Beginns der Reaktionszeit, innert der sich der Besitzer des Grundstückes wieder bemächtigen darf, gesetzlich festgelegt werden. Massgebend soll dabei jener Zeitpunkt sein, in dem der Besitzer mit der zumutbaren Sorgfalt von der Besitzesentziehung Kenntnis erlangt hat oder erlangen konnte. Gleichzeitig verbleibt den Gerichten ein Ermessenspielraum, um die konkreten Umstände des Einzelfalls berücksichtigen zu können. Im Einklang mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sieht der Vorentwurf zur Stärkung des Schutzes des Grundeigentums weiter vor, dass eine –wenn auch nicht absolute – Interventionspflicht der Behörden besteht.

Zur Vermeidung von Problemen bei der Feststellung der passivlegitimierten Personen bei Besitzesschutzklagen schlägt der Bundesrat eine Anpassung der Zivilprozessordnung vor, wonach die Beseitigung einer Besitzesstörung sowie die Rückgabe des Besitzes mittels gerichtlicher Verfügung neu gegenüber einem unbestimmten Personenkreis angeordnet werden können. Die Vernehmlassung läuft bis zum 23. Dezember.